In diesem Video befassen wir uns mit der Bedeutung der Alpen für das Wasser Europas. Wir wollen einerseits verstehen, was der Begriff "Wasserschloss" bedeutet und wir wollen andererseits erkennen, was für eine Bedeutung die Alpen für die Wasserressourcen der Unterlieger haben. Beginnen wir mit dem Begriff "Wasserschloss". Was ist ein Wasserschloss? Als Einstimmung dazu haben wir hier ein Bild aus dem Engadin, das zeigt an was viele von uns denken, wenn sie an Alpen oder Berge denken, nämlich Gebirgsbäche, Schnee und Gletscher und eng damit verbunden ist die Vorstellung, dass Gebirge Wasserschlösser sind und dass die Alpen das Wasserschloss Europas sind. Was hat es damit auf sich? Nehmen wir zuerst den Begriff Wasserschloss. Auf Deutsch ist dieser Begriff etwas missverständlich, denn könnte auch eine von Wasser umgebene Burg meinen oder ein technisches Bauwerk. Etwas treffender ist der englische Begriff "water tower" oder auf Deutsch "Wasserturm", und Wasserturm beschreibt sehr gut eine wichtige Funktion der Gebirge, nämlich Wasser zu speichern und dann zur Verfügung zu stellen, wenn es knapp ist. Das ist eng verbunden mit der Rolle, die Gebirge in der Hydrologie einnehmen können. Etwas genauer betrachtet gibt es zwei wesentliche Faktoren, die diese Rolle ausmachen. Erstens können Gebirge Wasser sammeln, denn sie erhalten mehr Niederschlag als ihr Umland. Der Grund dafür ist der orographische Effekt, d.h. die Luft wird beim Überströmen von Gebirgen angehoben, kühlt ab und kann weniger Wasserdampf halten. Bei genügend großer Anfangsfeuchte entstehen dann Wolken und schließlich bildet sich Niederschlag. Gleichzeitig ist in Gebirgsregionen die Verdunstung geringer und unter dem Strich kann im Gebirge so mehr Abfluss entstehen als im Umland. Zweitens können Gebirge Wasser speichern respektive in der Zeit umverteilen. Das passiert quasi über zwei Arten von Konti, einerseits ist da ein Lohnkonto, das ist der Schnee, hier werden Niederschläge im Winter gespeichert und dann im Frühling mit der Schneeschmelze wieder freigegeben. Und andererseits besteht ein längerfristiges Sparkonto, das ist das Eis respektive Schnee, der in großer Höhe fällt und dann zu Gletschereis geworden ist. Dieses Eis schmilzt langsamer als der Schnee und die Eisschmelze erreicht erst im Sommer ihren Höhepunkt, sie ergänzt damit die Schneeschmelze. Die vom Eis gebildeten Gletscher können zudem über die Jahre gesehen ausgleichend auf den Abfluss wirken, weil z.B. in besonders warmen und trockenen Jahren mehr Eis schmilzt. Gehen wir nun etwas genauer auf die Bedeutung der Alpen für das Wasser in Europa ein. Die Alpen sind das Wasserschloss Europas, haben wir vorher gehört. Was ist denn damit gemeint? Die Alpen sind natürlich nicht das Wasserschloss oder der Wasserturm für London, Rom oder Moskau, aber sie liefern via Rhein, Donau, Rhone und Po wichtige Abflüsse in die umliegenden Länder. Schauen wir uns das etwas genauer an. Dazu sehen wir hier eine Karte, die zeigt, wo im Bereich der vier großen Alpenströme wieviel Abfluss entsteht. Wir erkennen sehr klar, dass die Alpen deutlich mehr Abfluss erzeugen als die angrenzenden Gebiete. Die Maxima erreichen über 2200 mm pro Jahr und sie sind in den Zentralalpen zu finden. Die Minima liegen im Bereich von 50-100 mm pro Jahr, so z.B. in der Oberrheinischen Tiefebene. Am Beispiel des Rheins können wir noch genauer sehen, wie sich dies auf die Abflüsse auswirkt. Wir sehen hier das Einzugsgebiet des Rheins, welches sich von der Schweiz, Liechtenstein und Österreich aus nach Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Belgien und in die Niederlande erstreckt. Teilen wir nun dieses Einzugsgebiet an der Schweizer Grenze bei Basel, erhalten wir nun stromaufwärts die Fläche, die maßgeblich von alpinen Abflüssen in der Schweiz geprägt wird. Sie enthält auch einige Anteile aus Deutschland und Österreich und macht ungefähr 20 Prozent des gesamten Einzugsgebiets aus. Wir können hier nun beziffern, welchen Beitrag die Fläche bis Basel und den gesamten Abfluss des Rheins liefert. Der Beitrag ist hier dunkelgrün eingefärbt und beträgt im Jahresmittel zwischen 45 und 50 Prozent. In den Sommermonaten ist sogar noch größer mit Werten bis über 65 Prozent und einem Maximum im August. Wir haben bis Basel also etwa 20 Prozent des Einzugsgebiets, aber fast die Hälfte des Abflusses also fließt an der Schweizer Grenze mehr als doppelt so viel Wasser ab als man erwarten könnte, wenn das gesamte Einzugsgebiet gleich stark zum Abfluss beitragen würde. Der Beitrag der Gletscher an den Rheinabfluss wird übrigens häufig überschätzt. Kann zwar regional, d.h. in den obersten Teilen des Einzugsgebietes, von Bedeutung sein, in den Niederlanden aber, auf den gesamten Rheinabfluss betrachtet, sind es im Jahresmittel nur etwas mehr als ein Prozent und im Spätsommer zwischen drei und fünf Prozent. Selbst in extrem trockenen Perioden wie z.B. im Herbst 2003 haben Gletscher im Tagesmittel nicht mehr als 13 Prozent zum Gesamtabfluss des Rheins beigetragen. Viel wichtiger ist die Schneeschmelze. Sie ist im Jahresmittel für etwa ein Drittel des Jahresabflusses verantwortlich und sie sorgt vor allem im Frühling und im Frühsommer für Ausgleich, wenn in den tiefer gelegenen Regionen des Rheins wenig Abfluss entsteht. Kommen wir zurück zu den Alpen und zu den anderen Alpenströmen mit diesem Satellitenbild, das sehr schön die schneebedeckten Alpen im Frühling zeigt. Für die Alpen insgesamt gilt, dass sie wie beim Rhein auch bei den anderen großen Strömen etwa doppelt so viel Abfluss liefern als man aufgrund ihrer Fläche erwarten würde, d.h. dass bei Rhone, Po, Inn respektive Donau gilt auch etwa dieser Faktor zwei und der Faktor ist auch weltweit gültig für Gebiete mit temperiertem oder gemäßigtem Klima wie wir es in Westeuropa haben. In trockenen Gebieten sind Gebirge noch viel wichtiger, weil sie dort quasi die „Feuchte-Inseln“ bilden innerhalb von Regionen mit sehr wenig oder sehr unregelmäßig fallendem Niederschlag. Das Wasser aus den Alpen ist dann in den Anrainerländern wieder wichtig für eine ganz verschiedene Anzahl von Nutzungen, z.B. in Haushalten, in der Industrie, in der Landwirtschaft, zur Energieerzeugung, aber auch für die Umwelt und für den Tourismus. Und wichtig sind die Abflüsse der Alpen auch für die Transporte nämlich auf dem Rhein mit der Rheinschifffahrt, wo der Pegelstand des Rheins die Transportpreise beeinflusst. Zusammenfassend haben wir gesehen, was der Begriff Wasserschloss meint und wir haben gesehen, welche Bedeutung die Alpen für die Wasserressourcen in Europa haben.