[LEERES AUDIO] [MUSIK] [MUSIK] Wir stehen hier an der Aare in Bern. Das ist ein Brennpunkt in diesem Einzugsgebiet der Aare. Die Aare ist einerseits verantwortlich, dass genau an dieser Stelle Bern gegründet wurde. Nämlich mit der Aare-Schleife, die hier eben optimale Bedingungen schuf, damit die historische Stadt Bern erbaut werden konnte. Betrachten wir nun das Einzugsgebiet der Aare etwas im Detail. Die Aare in Bern umfasst eine Fläche von 3000 Quadratkilometer. Die mittlere Einzugsgebietshöhe, also jene Höhe, bei der 50 Prozent der Fläche oberhalb und 50 Prozent der Fläche unterhalb liegen, beträgt 1600 Meter. Damit ist die Aare ein typisches nordalpines Einzugsgebiet. Ja, man kann sagen, wenn man die Aare versteht, versteht man auch die Hydrologie der Alpennordseite. Das Einzugsgebiet umfasst alle Höhenstufen vom Mittelland bis zur hochalpinen Stufe. Wenn ich das nun übersetzte auf die Hydrologie, heißt das, dass drei Elemente den Abfluss prägen. Das ist einerseits der Schnee, rund 40 Prozent des Abflusses, den wir hier sehen, stammt aus dem Schnee. Dann ist es die Gletscherschmelze, hier sind es rund im Mittel fünf Prozent. Und der Rest, also etwa 50 Prozent sind Niederschläge. Durch diese Prägung, diese Dominanz auch des Schnees und der Gletscher, haben wir ein typisches nordalpines Abflussregime. Also Abflussregime, das sind die saisonalen Schwankungen. Wir haben wenig Wasser im Winter. Dann haben wir mit der Schnee- und Eisschmelze einen starken Abfluss im Sommer. Also Sommer: Mai, Juni, Juli, August, September. Und diese hohen sommerlichen Abflussmengen werden dann auch geprägt durch einzelne Hochwasserspitzen. Wir sehen unten das Mattequartier. Das Mattequartier war seit Jahrhunderten das Industrie- und Gewerbequartier der Stadt Bern. Dieses Gewerbequartier profitiert von dieser ausgezeichneten Abflusssituation. Man hat sehr viel Wasser, weil die Schnee- und Eisschmelze eben sehr viel Wasser liefern. Und andererseits, und das ist auch sehr wichtig, durch das, dass Schnee- und Eisschmelze dominierend sind für die Abflussbildung, können wir erwarten, dass jedes Jahr haben wir diese Schnee- und Eisschmelze. Das heißt, wir haben eine hohe Zuverlässigkeit des Abflusses. Andererseits ist genau dieses Mattequartier auch jenes Quartier, dass immer wieder in die Schlagzeilen kommt, wenn die Aare Hochwasser führt. Die Hochwassergeschichte der Aare ist sehr gut dokumentiert in den letzten 150 Jahren. Darin können wir zwei Perioden unterscheiden, eine Periode vor 1999 und eine Periode nach 1999. Vor 1999 erreichte die Aare Levels bis etwa 400 Kubikmeter pro Sekunde. Das hatte zur Folge, dass die Matte nicht wirklich geschädigt wurde von Hochwasser. Dann nach 1999 sind plötzlich Hochwasser mit einem Niveau 600 Kubikmeter pro Sekunde aufgetreten. Das war 1999, 2005, 2007 und 2015. Große Hochwasser in einer neuen Dimension in schneller Folge. Wenn man die Hochwassergeschichte der letzten 2000 Jahre anschaut, sieht man, es gibt immer wieder Phasen mit wenigen Hochwassern und Phasen mit sehr viel Hochwassern. Das 20. Jahrhundert war eine hochwasserarme Phase, man spricht auch von einer Katastrophenlücke. Nach 1980 sind dann wieder in der ganzen Schweiz, also nicht nur in der Aare, größere Hochwasser aufgetreten. An dieser Stelle ist die Hochwassergeschichte der Aare sehr schön zusammengefasst. Wir sehen hier verschiedene Hochwassermarken. Einerseits das Hochwasser 1999, also das erste große Hochwasser nach einer langen Phase mit kleinen Hochwassern. Dann das Hochwasser 2005, August 2005, rund zwei Meter über dem Grund. Und dann ganz oben am Ende dieser Latte das Hochwasser von 1480. Und man stellt sich natürlich die Frage, wie kann nun dieses große Hochwasser von 1480 überhaupt entstanden sein? Dazu müssen wir uns nach Thun begeben, müssen dort die Kanderkorrektion in Betracht ziehen und danach können wir diese Frage beantworten. Dieser Standort hier in Thun erlaubt uns einen Einblick in die oberen Teile des Einzugsgebiets, also in jene Teile, wo der Schnee, die Schneeschmelze, aber auch der Schneerückhalt entscheidend sind für die Abflussbildung. Das Einzugsgebiet der Aare wurde sehr stark geprägt durch die Eiszeiten, insbesondere natürlich durch die letzte Eiszeit. Zeugen davon sehen wir im Hintergrund auf der linken Seite des Thunersees, das ist die sogenannte Strättlig-Moräne, eine Mittelmoräne des Aaregletschers. Diese Strättlig-Moräne hat nun auch hydrologisch eine große Bedeutung. Vom Süden her fließt die Kander Richtung Thunersee, wurde aber durch die Strättlig-Moräne daran gehindert, direkt in den See hineinzufließen. Das heißt, die Kander musste ihren Weg hinter der Moräne nach Norden suchen und ist dann direkt Richtung Bern geflossen. Das heißt, die großen Hochwasser der Kander konnten dann sich direkt in der Matte ausbreiten und haben dann zu dieser großen Hochwassermarke geführt, wie wir sie gesehen haben. Nun, die Kander führte aber auch dazu, dass im Kandertal große Not herrschte, Überschwemmungen, Malaria, Landwirtschaft nur teilweise möglich. Und die Not war so groß, dass man sich bereits 1711 entschloss, die Kanderkorrektion durchzuführen. Es war die erste von größeren Korrektionen in der Schweiz. Eine erste Korrektion, die in etwa 150 Jahre früher war als die nächsten großen Korrektionen. Man versuchte mit dieser Korrektion das Retentionsvermögen des Thunersees zu nutzen, leitete also die Kander durch die Strättlig-Moräne durch und nutzte so das Retentionsvolumen des Sees. Das Problem war, dass man dieses Speichervermögen des See unterschätzte. Das heißt, der Thunersee reagierte nun bei großem Hochwasser sofort mit einem sehr starken Anstieg, zumal mit der Kanderkorrektion das Einzugsgebiet von 1200 auf 2500 Quadratkilometer vergrößert wurde. Damit hatte die Stadt Thun ein neues Problem, nun wurde die Stadt vielfach durch den hohen Seespiegel beeinflusst. Diese Beeinflussung gilt bis heute. Das heißt, die Stadt Thun kämpft seit 1714 mit den Auswirkungen dieser Kanderkorrektion. [MUSIK] [MUSIK] [MUSIK] [MUSIK] [MUSIK]