[KEIN_AUDIO] Wir haben in der Schweiz etwa 1500 Gletscher. Und diese Gletscher dokumentieren wir im Rahmen des Schweizer Gletschermessneztes Glamos. Diese Daten sind wichtig, zu sehen, wie die Gletscher auf den Klimawandel reagieren, und auch welchen Einfluss sie auf den hydrologischen Kreislauf haben. Im Schweizer Gletschermessnetz vermessen wir diese Gletscher nicht alle gleich genau, verschiedene Gletscher beobachten wir mit sehr genauen Methoden und sehr aufwendigen Messungen, andere Gletscher etwas weniger intensiv, aber zusammen ergibt uns das dann ein Bild, wie sich die Gletscher in der Schweiz verändern. Im Schweizer Gletschermessnetz messen wir verschiedene Variablen, und eine der wichtigste Variablen ist die sogenannte Massenbilanz. Die Massenbilanz beschreibt, wie die Dicke eines Gletschers sich verändert über die Zeit, und wie viel an einem gewissen Punkt des Gletschers dazukommt, im oberen Bereich, oder abschmilzt, im unteren Bereich. Die Massenbilanz wird mit sogenannten Ablationsstangen gemessen, die ins Eis gebohrt sind. An diesen Stangen kann man ablesen, wieviel Eis an einem bestimmten Ort schmilzt oder im oberen Teil des Gletschers eben dazukommt. Anschließend werden dann diese Punktmessungen über den ganzen Gletscher extrapoliert, zu berechnen, wie die Massenveränderungen des Gletschers oder auch die Dickenänderungen des Gletschers in einem einzelnen Jahr oder auch zwischen Winter und Sommer ist. Eine weitere wichtige Variable, die wir im Schweizer Gletschermessnetz bestimmen, ist die sogenannte Längenänderung. Diese Messung ist relativ einfach auszuführen. Man geht zur Gletscherzunge hin, und nicht auf den Gletscher, und misst, wie sich die Position der Gletscherzunge von Jahr zu Jahr verändert. Das zeigt den langfristigen Trend auf und zeigt auf, ob sich der Gletscher zurückzieht, oder ob vorstößt. Allerdings sind diese Messungen nicht einfach zu interpretieren. Da die Längenänderung neben dem Klima auch von anderen Variablen abhängt, wie dem Fließen des Eises, der Eisdynamik oder aber auch der Geometrie des Gletschers bei der aktuellen Gletscherzunge, also ob der Gletscher dort dick oder dünn ist. Die Messungen der Massenbilanz und der Längenänderung werden seit Jahrzehnten, sogar seit über einem Jahrhundert, mit den genau gleichen Methoden durchgeführt. Und das ist sehr wichtig, die Langfristigkeit der Messungen zu gewährleisten, die Vergleichbarkeit der Messungen sicherzustellen. Es gibt heute neuere Methoden, die zum einen Teil eingesetzt werden können, die althergebrachten, traditionellen Methoden zu ergänzen. Aber zum Beispiel für die Massenbilanz kennt man auch heute noch keine ersetzbare Methode, die wirklich gleichwertig ist, und deshalb werden diese Messungen genau gleich gemacht wie vor 100 Jahren. Für die variable Massenbilanz messen wir etwa 20 Gletscher in der Schweiz. Die Massenbilanz zu messen, müssen wir auf den Gletscher gehen, dies zweimal im Jahr, einmal im April zum Maximum der Schneehöhe, und einmal im September, zum Maximum der Schmelze, und deshalb müssen diese Gletscher relativ einfach erreichbar und auch einfach begehbar sein, das heißt, sie dürfen nicht allzuviele Spalten haben oder zu steil sein. Weiterhin ist es sehr wichtig, dass diese Gletscher in allen Regionen der Schweiz verteilt sind, und damit alle hydrologischen Einflussgebiete der Schweiz gleichmäßig abdecken. Wir können nicht auf alle Gletscher direkt gehen. Sondern arbeiten auch mit Messmethoden, die auf Luftbildern basieren, die wir von Swisstopo erhalten. Diese Luftbilder erlauben es uns, Daten für alle Gletscher der Schweiz zu erheben. Das sind keine jährlichen oder saisonalen Daten, sondern Daten, die sich auf einen längeren Zeitraum beziehen. Fünf bis Zehn Jahre, vielleicht auch 30, 40 Jahre. Mit diesen Luftbildern können Höhenmodelle erstellt werden, und der Vergleich von solchen digitalen Höhenmodellen erlaubt es, die Veränderung des Eisvolumens über einen längeren Zeitraum hinweg zu bestimmen. Das ist sehr wichtig, da wir damit eben die Informationen zu allen Gletschern erhalten und nicht nur einzelnen. Weiterhin erlauben es uns die Luftbilder, ein sogenanntes Inventar der Gletscherflächen zu erstellen. Damit wissen wir also zu einem bestimmten Zeitpunkt genau, wie groß ein jeweiliger Gletscher ist in der Schweiz, und wie sich seine Fläche über die Zeit verändert hat. Die Daten des Schweizer Gletschermessnetzes werden von verschiedenen Universitäten der Schweiz erhoben und dann gesammelt. In einer Datenbank gespeichert. Und anschließend stehen sie bereit für weitere Studien. Wir übermitteln die Daten zum Beispiel zum World Glacier Monitoring Service an der Universität Zürich, wo sie dann weltweit zur Verfügung stehen. Aber die Daten fließen auch direkt hier bei unseren Universitäten in weitere Studien ein, die sich zum Beispiel damit auseinandersetzen, wie sich die Gletscher in Zukunft verändern. Daten zu den Gletschern in Vergangenheit ist absolut notwendig, numerische Modelle zu kalibrieren und zu validieren, damit eben auch Prognosen für die Zukunft erstellen zu können. Weiter sind die Daten von Glamos wichtig für die Hydrologie. Wir erstellen jährliche Berichte für das Bundesamt für Umwelt, wo dokumentiert wird, wieviel Wasser die Gletscher in den verschiedenen Einzugsgebieten der Schweiz verlieren, und wie stark dieses Wasser dann zum hydrologischen Kreislauf beiträgt. Gletscherschmelze ist wichtig für die Wasserkraft in der Schweiz. Die meisten großen Stauseen in der Schweiz liegen direkt im Einzugsgebiet von Gletschern. Das heißt, das Wasser der Gletscher fließt in die Stauseen und trägt damit zur Stromproduktion bei. Wenn die Gletscher stärker schmelzen, wie sie es jetzt tun, liefert das eine zusätzliche Menge an Wasser, und das ist eigentlich gut für die Wasserkraft. Wenn die Gletscher in Zukunft kleiner werden, dann liefern sie weniger Wasser, und wir haben auch weniger Wasser, das für die Wasserkraftproduktion gebraucht werden kann. Allerdings sind Stauseen ja Speicherwerke, und damit können diese Veränderungen des Schmelzwasserbeitrags der Gletscher besser ausgeglichen werden. Mit der Klimaänderung schmelzen die Gletscher stärker, sie geben damit mehr Wasser ab, aber dies nur bis zu einem gewissen Punkt, wo sie zu klein sind, zusätzliches Wasser abzugeben. Dieser Wendepunkt ist sehr wichtig für die Wasserwirtschaft. Der definiert von wann an wir reduzierte Wassermengen aus der Gletscherschmelze kriegen. Dieser Wendepunkt ist über die ganze Welt hinweg unterschiedlich. Bei uns in der Schweiz liegt der ungefähr heute oder noch vielleicht 10, 20 Jahre vor uns, je nach Gletscher. In anderen Regionen der Welt, wie zum Beispiel in Regionen mit sehr großen Gletschern, Alaska, Patagonien, liegt dieser Wendepunkt 50, teils sogar 100 Jahre in der Zukunft. In weiteren Regionen mit kleineren Gletschern, wie zum Beispiel in Südamerika, ist dieser Wendepunkt schon überschritten, und wir haben schon heute geringere Abflussmengen von Gletschern. Das heißt, es ist wichtig, für die zukünftige Entwicklung zu wissen, wo wir stehen in diesem Übergang von gesteigertem Gletscherwasser wegen mehr Gletscherschmelze zu reduziertem Gletscherwasser wegen zu kleinen oder verschwundenen Gletschern. Die Daten des Schweizer Gletschermessnetzes sind wichtig, die Zukunft der Gletscher richtig vorhersagen zu können mit kalibrierten und validierten Gletschermodellen. Wir haben verschiedene Gletschermodelle für die Zukunft angewendet, angetrieben mit Klimaszenarien, die von verschiedenen CO2 Emissions-Szenarien ausgehen. Mit diesen Gletschermodellen sehen wir, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit praktisch alle Gletscher in der Schweiz verlieren bis ins Jahr 2100. Mit starken Klimaschutzmaßnahmen, starker, sehr starker Reduktion der CO2 Emissionen wäre es noch möglich, vielleicht 20, 30 Prozent des heutigen Eisvolumens zu retten. Das wären dann Gletscher in sehr großen Höhen oberhalb von 4000 Metern. Aber eben die großen Gletscherzungen, wie wir sie heute kennen am Rhonegletscher, am Aletschgletscher, diese Gletscherzungen werden praktisch sicher verschwinden bis zum Ende dieses Jahrhunderts. [MUSIK] [MUSIK] [KEIN_AUDIO] [KEIN_AUDIO] [KEIN_AUDIO]