Guten Tag. Mein Name ist Kähti Liechti
und ich bin Hydrologin
an der eidgenössischen
Forschungsanstalt WSL. Im ersten Teil meiner Vorlesung haben Sie erfahren,
wieso wir für die Sihl in Zürich
ein Abflussvorhersage betreiben. Und Sie haben den Unterschied zwischen deterministischen
und probabilistischen
Vorhersagen kennengelernt. In diesem zweiten Teil möchte ich Ihnen zeigen,
wie dieses Vorhersagesystem
in der Praxis verwendet wird. Hier noch einmal schematisch das Vorhersagesystem. Wir benötigen Wettervorhersagen, welche in das hydrologische Modell PREVAH
einfließen, welches dann für
mehrere Standorte im Einzugsgebiet
Abflussvorhersagen generieren kann. Diese Abflussprognosen werden dann für die Entscheidungsträger
auf einer Webseite publiziert. Auf dieser Webseite können die Entscheidungsträger des Kantons Zürich
die Prognosen, die mit COSMO-E und
COSMO-1 generiert wurden, konsultieren. Außerdem können Sie an einem einfachen Farbbcode auf den ersten Blick erkennen,
welche Warnstufen an den einzelnen Punkten
im Einzugsgebiet überschritten werden. Schauen wir uns eine Abflussvorhersage, die mit COSMO-E generiert wurde,
etwas genauer an. Auf der Y-Achse haben wir den Abfluss in Kubikmeter pro Sekunde,
auf der X-Achse die Zeit. Für COSMO-E also die nächsten fünf Tage. Die einzelnen Ensemble-Member,
die 21 Member,
sind als 21 rosarote Linien eingezeichnet. Um das Ganze etwas übersichtlicher zu machen, wird der Bereich, der von den
mittleren 50 Prozent der Ensemble-Member
abgedeckt wird, rosa eingefärbt. Das mittlere Drittel wird dunkelrosa eingefärbt.
Die rote Linie, die Sie sehen,
ist der Ensemble-Meridian. Das ist der mittlere Wert des ganzen Ensembles. Das blaue Fadenkreuz ist eine Interpretationshilfe. Es gibt die beste Schätzung für die Abflussspitze an,
die aufgrund der Ensemble-Member
gemacht werden kann. Nun eine Abflussvorhersage, die mit COSMO-1 generiert wurde. Sie wundern sich jetzt sicher, wieso hier mehrere Linien zu sehen sind,
obwohl es sich doch ein
deterministisches Modell handeln soll. Da wir von COSMO-1 acht Mal täglich eine aktualisierte Version
bekommen, haben wir uns entschieden,
nicht nur die aktuellste Vorhersage zu
zeichnen, sondern auch die vorhergehenden. Damit ist es möglich, die Entwicklung einer Situation besser zu verfolgen. Wenn eine neue Vorhersage immer etwas größer,
höher ist als die alte,
dann spitzt sich die Situation zu. Wenn alle immer etwa gleich sind, dann ist die Situation relativ klar. Zum Abschluss möchte ich Ihnen an einem Fallbeispiel zeigen,
wie unser Vorhersagesystem in der Praxis
zur Entscheidungsfindung der Behörden
beitragen kann. Für die Vorbereitung und Bewältigung von kritischen Situationen beinhaltet unser Vorhersagesystem auch einen Szenarienrechner. Mit diesem können wir mit verschiedenen Werten für die Turbinierung des Kraftwerks
die Vorabsenkung des Sihlsees,
die Zuflüsse zum See und die
Zuflüsse Alp und Biber spielen. Und wir können schauen, wie sich diese unterschiedlichen Werte
auf die Abflussprognosen auswirken. Das Beispiel, das Sie gleich sehen werden, hat sich im Mai 2013 ereignet. Die Prognose besagte, dass der Sihlsee in den nächsten Tagen volllaufen würde. Und damit kein Rückhalt mehr vorhanden sein würde für mehr Wasser aus den
hinteren Einzugsgebieten. Auch die Prognose für den Abfluss in Zürich war ziemlich hoch. Wir erhielten daraufhin einen Anruf der Behörden und sie teilten uns mit,
dass sie planten, den Sihlsee zwischen
Freitag Morgen und Samstag Abend
mit durchgehend 80 Kubikmeter
pro Sekunde abzusenken. Uns gefiel dieser Vorschlag nicht besonders. Denn wir befürchteten, dass diese Vorabsenkung mit Abflussspitzen
aus den Zuflüssen Alp und
Biber zusammentreffen würde
und dann in Zürich zu einer
Hochwassersituation führen könnte. Wir gaben also diesen Vorschlag in unseren Szenarienrechner ein und konnten zeigen,
dass damit die Wahrscheinlichkeit,
dass in Zürich der Abfluss 200 Kubikmeter
übersteigen würde, stark anstieg. Wir machten daraufhin einen alternativen Vorschlag. Und schlugen vor, die Vorabsenkung früher abzubrechen,
um die Spitzen von Alp und
Biber passieren zu lassen. In diesem Szenario konnten wir zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit,
dass der Abfluss in Zürich 200 Kubikmeter
überschreiten würde, sehr klein war. Eine kurze Rücksprache ergab dann, dass man nach dem Szenario 2 handeln würde. Hier sehen wir die Beobachtung von diesem Ereignis.
Es sind vier Spitzen zu sehen. Die erste Spitze ist die künstliche Spitze aus der Vorabsenkung. Die zweite, etwa 180 Kubikmeter, stammt von den Zuflüssen Alp und Biber.
Die dritte von mehr Starkregen. Und die vierte von einer regelbasierten Absenkung mit mehr Starkregen. Die folgenden Bilder entstanden in Zürich, kurz nach der größten
der vier Abflussspitzen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir für ein funktionierendes
Abflussvorhersagesystem Messwerte
brauchen,
ein kalibriertes hydrologisches
Modell und Wetterprognosen. Aber auch die Kenntnisse des Einzugsgebiets sind wichtig. Das wichtigste jedoch ist eine gute Kommunikation zwischen den
Hydrologen und den Entscheidungsträgern. Ich hoffe, Ihnen hiermit einen Einblick gegeben zu haben,
in die Funktionsweise eines
operationellen Abflussvorhersagesystems.