[LEERES AUDIO] Ich begrüße Sie zum ersten von drei Videos zur Wasserkraft in der Schweiz. In diesem ersten Teil wollen wir sehen, wie Wasserkraft vom Prinzip her funktioniert. Wir wollen auch verstehen, wieso sich die Schweiz so gut für die Wasserkraftnutzung eignet. Und wir wollen verfolgen, wie sich der Aufschwung der Wasserkraft in der Schweiz ereignet hat. Beginnen wir mit dem Prinzip, wie Wasserkraft funktioniert. Wasserkraft ist im Grunde genommen eine Spielart der Sonnenenergienutzung. Die Natur hebt immer wieder riesige Massen von Wasser an und transportiert sie zu uns. Und sie erlaubt es uns damit, die Schwerkraft des Wassers auszunutzen. Die Aufzugskraft für diesen Vorgang liefert die Sonne, die den Wasserkreislauf antreibt. Diese Kraft kann dann für verschiedene Zwecke genutzt werden. Am Anfang stand die Umwandlung von Wasserkraft in unmittelbar nutzbare mechanische Kraft. Sie löste durch Muskelkraft angetriebene Maschinen ab, wie zum Beispiel das Tretrad. Weit verbreitet war die Nutzung durch Mühlen. Diese waren prägende Bauten innerhalb und außerhalb von Siedlungen. Wir sehen hier im Bild die Stadtmühlen von Luzern an der Reuss 1790 im Schuhmacher-Plan. Mit der Erfindung der Nockenwelle wurde es auch möglich, die Drehbewegung eines Wasserrades in andere Bewegungsarten umzuwandeln. Zum Beispiel in eine Schlagbewegung. Wir sehen hier eine Anwendung in einem Pochwerk aus dem 16. Jahrhundert. Hier wurde Erz zerkleinert. Eine solche Schlagbewegung ist zum Beispiel auch für Hammerschmieden nutzbar. Weitere Nutzungen waren das Zersägen von Holz, oder, wie wir das hier sehen, das Pumpen von Wasser. Die Nutzungen, die wir bisher gesehen haben, sind stark an Fließgewässer gebunden. Wobei allenfalls eine Umleitung möglich war, zum Beispiel über Mühlenkanäle. Das Wasser musste aber vor Ort vorhanden sein. Eine Entwicklung weg davon kam dann mit der Seiltransmission. Das heißt, die Kraft eines Wasserrades wird mittels Seilen an nahegelegene Maschinen transportiert. Dabei kann eine Distanz von maximal einigen hundert Metern weg vom Gewässer überbrückt werden. Wir sehen hier ein Beispiel in Schaffhausen am Hochrhein. Es ist ein Großkraftwerk mit einer Seiltransmission von über etwa 500 Meter. Die völlige Loslösung der Wasserkraft weg vom Wasserlauf fand dann mit der Stromerzeugung statt. Wasserkraft ist ideal zur Stromproduktion, weil sie gute Möglichkeiten zum Erzeugen und zum Speichern der Energie bietet. Eine erste wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung war das Aufkommen von Wasserturbinen, die einen sehr guten Wirkungsgrad aufweisen. Im Bild hier sehen wir ein Pelton-Turbinenrad. Ein wesentlicher Vorteil des elektrischen Stroms ist, dass sehr gut transportiert und verteilt werden kann. Damit ist die zweite Voraussetzung angesprochen für die Loslösung, weg vom Wasser. Es ist die Entwicklung der Starkstromübertragung, die es ermöglichte, dass das Kraftwerk quasi zu einer Stromfabrik werden konnte. Die Produktion war dann zwar noch an das Fließgewässer gebunden, der Verbrauch aber nicht mehr. Bevor wir auf die weitere Entwicklung in der Schweiz eingehen, wollen wir nun uns noch anschauen, wieso sich die Schweiz überhaupt so gut für Wasserkraft eignet. Zwei Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Es ist einerseits der Wasserreichtum und andererseits die ausgeprägte Topographie, die wir hier sehr schön sehen, in einem Foto aus dem Spaceshuttle. Wir erahnen hier die Höhenunterschiede zwischen den Alpen rechts unten und dem Mittelland, links oben. Wir können das theoretische Potential für Wasserkraft in der Schweiz abschätzen, mit einer einfachen Berechnung, die auf der Formel für potenzielle Energie beruht. Die potenzielle Energie berechnet sich aus eine Masse mal die Erdbeschleunigung mal einen Höhenunterschied. Für die Masse benötigen wir als Grundlage zuerst das Wasservolumen, respektive den Abfluss, der in der Schweiz entsteht. Das sind jährlich etwa 40 Kubikkilometer, oder 40 Milliarden Kubikmeter Wasser, die nur schweizerischen Ursprung haben. Das entspricht etwa zehn Mal den Inhalt des Zürich Sees, oder etwas weniger als die Hälfte des Genfer Sees. Weiter benötigen wir die Dichte des Wassers. Das ist etwa eine Tonne, oder 1000 Kilogramm pro Kubikmeter. Miteinander multipliziert ergibt das die Masse, die der potenziellen Energie zugrunde liegt. Wir erhalten so eine Wassermasse von 40 Milliarden Tonnen, oder 40 Billionen Kilogramm. Die Erdbeschleunigung ist eine Naturkonstante. Sie beträgt 9,81 Meter pro Sekunde im Quadrat. Der Höhenunterschied, den das Wasser auf seinem Weg bis zur Landesgrenze durchläuft beträgt im Mittel zirka 1050 Meter. Zusammen verrechnet, ergibt dies 412.000 Terajoule pro Jahr. Oder zirka 115 Terrawatt-Stunden pro Jahr. Das tatsächliche Potenzial ist noch größer, weil in den Bergen mehr Niederschlag fällt und somit mehr Abfluss entsteht als im Mittelland. Somit ergibt sich hier ein bereinigtes theoretisches Potenzial von zirka 200 Terrawatt-Stunden pro Jahr. Diese Größe ist etwas unhandlich, aber man kann sie vergleichen mit der Produktion eines Kernkraftwerks. Und sie beträgt so etwa 21 Mal die Produktion von Leibstadt. Das ist sehr viel Energie. Es wird aber längst nicht alle diese Energie genutzt. Wieviel genau genutzt wird, werden wir in dem nachfolgenden Video noch sehen. Verschaffen wir uns nun einen Überblick über den Aufschwung der Wasserkraft in der Schweiz. Diese Graphik zeigt die Entwicklung der mittleren jährlichen Produktionserwartung seit dem frühen 20. Jahrhundert. Im Wesentlichen können wir vier Phasen unterscheiden. Es ist eine Pionierzeit bis etwa 1910. Dann eine Aufschwungzeit bis 1945. Eine Blütezeit bis 1970, in der die meisten Anlagen entstanden. Und schließlich eine Konsolidierung mit nur noch moderatem Ausbau. Diese letzte Phase werden wir hier nicht anschauen, sondern im nächsten Video noch kennenlernen. Die Pionierzeit begann mit dem ersten Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung. Es wurde 1878 in St. Moritz in Betrieb genommen und hatte eine Leistung von sieben Kilowatt. Der Strom wurde verwendet, den Speisesaal im Kulm Hotel St. Moritz an Weihnachten zu beleuchten. In der Aufschwungzeit wurden dann auch größere Kraftwerke gebaut, zum Beispiel hier am Hochrhein in Laufenburg. Dies ist ein Flusskraftwerk, das seit 1914 in Betrieb ist und heute Kulturgut von nationaler Bedeutung ist. Es wurden aber auch Staumauern gebaut und neue Seen aufgestaut. So bei Châtel-sur-Montsalvens. Es ist die erste Bogenstaumauer Europas, mit 55 Meter Höhe und 115 Meter Länge. Die Mauer wurde 1920 fertiggestellt und staut den neuen Lac de Montsalvens auf. Wir sehen hier ein Bild in der Einstauphase. Ein wesentlicher Antrieb für die Wasserkraft war die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken. Besonders in Bergregionen, wo Wasserkraft ortsnah erzeugt werden konnte und viel Energie benötigt wurde auf der Bergstrecke. Ein Beispiel dafür ist die Gotthardlinie mit bahneigenen Wasserkraftwerken, wie zum Beispiel Ritum und Amsteg. Im Hintergrund sehen wir an der Gotthardlinie am Pfaffensprung das Staubecken eines weiteren Kraftwerkes, desjenigen von Wassen. Wie wichtig Wasserkraft für die Eisenbahn auch heute noch ist, sieht man am Leistungsbedarf der SBB, von dem wir hier einen typischen Tagesverlauf sehen. Man erkennt hier einerseits den erhöhten Bedarf am Morgen und am Abend. Vor allem aber auch die regelmäßigen Bedarfspitzen, die sich aus dem Rhythmus des Taktfahrplans ergeben. Das Anfahren der Lokomotiven benötigt zeitlich begrenzt sehr schnell eine große Energie, sogenannten Spitzenstrom. Und Wasserkraft ist hier ideal, weil sie sehr schnell zu- und abschaltbar ist. In der Blütezeit nach dem Zweiten Weltkrieg fand ein wirtschaftlicher Aufschwung statt. Und darin eingebettet auch ein starker Ausbau der Wasserkraft, vor allem in den Alpen und den Voralpen. Und wenn man von Staumauern in der Schweiz spricht, kann man diese hier fast nicht weglassen. Es ist die Grande Dixence, die 1961 fertiggestellt wurde. Die Grande Dixence war bis 1980 die höchste Staumauer der Welt. Diesen Rekord hält sie heute nicht mehr. Aber mit 285 Metern Höhe ist sie immernoch die höchste Talsperre der Schweiz und das höchste Bauwerk der Schweiz überhaupt. Und sie ist immernoch die höchste Gewichtsstaumauer der Welt. Das heißt, sie stellt dem Wasser nur ihr eigenes Gewicht entgegen, das zirka 15 Millionen Tonnen beträgt. Der Boom der Wasserkraft hatte auch Schattenseiten. So sind ganze Täler verschwunden, wie zum Beispiel in Marmorera, wo zwischen 1950 und 1954 ein Staudamm gebaut wurde. Der nachfolgende Einstau des neuen Sees überflutete die Landschaft. Flächenmäßig waren das zum größten Teil die Weiden des Tals. Es wurde aber auch das gesamte Dorf geflutet, mit Wohnhäusern, Ställen und Speichern, der Kirche, der Schule und dem Rathaus. Und insgesamt mussten 95 Personen umgesiedelt werden. Mehr zu Vor- und Nachteilen von Wasserkraft werden wir dann im nächsten Video noch sehen. Zusammenfassend haben wir verstanden, dass die Wasserkraft im Prinzip eine Spielart der Sonnenenergienutzung ist. Wir haben gesehen, dass sich die Schweiz wegen ihrer Topographie und ihres Wasserreichtums sehr gut für die Wasserkraftnutzung eignet. Und wir haben den Aufschwung der Wasserkraft in der Schweiz verfolgt, inklusive einer der damit verbundenen Schattenseiten. [LEERES AUDIO] [LEERES AUDIO]