[LEERES AUDIO] [MUSIK] Wie bei allen Naturlandschaften liegt die gesellschaftliche Bedeutung der Seen und Binnengewässer im Allgemeinen vor allem in ihren Ökosystem-Dienstleistungen, den sogenannten ecosystem services, also den Funktionen, den verschiedenartigen Outputs, die sie für diese Gesellschaft bringen. Bei Seen umfasst das beispielsweise die Binnenfischerei, die Nutzung als Erholungsraum und zunehmend, zumindest in unseren Breiten auch die direkte Nutzung des Wassers als Trink- und Brauchwasser. Deshalb spielt in der Gewässerkunde die Wasserqualität eine große Rolle, einerseits als abstraktes Forschungsthema, andererseits als Managementziel. Die Wasserqualität umfasst erstens die biologische Qualität, die Verschmutzung mit coliformen Keimen oder anderen Pathogenen. Das ist eine Aufgabe der Hygiene. Zweitens spielt bei der Wasserqualität die chemische Zusammensetzung eine große Rolle. Hier sprechen wir einerseits von der organischen Verunreinigung, das heißt also Abwässer mit hohen Mengen organischem Kohlenstoffs, die beispielsweise aus der Zellenstoffindustrie stammen können. Andererseits die Verunreinigung durch Nährstoffe, welche das Wachstum der Algen in den Seen fördert. Diese Nährstoffe sind vor allem der Stickstoff und im Süßwasser der Phosphor. Diese Verunreinigung mit Nährstoffen stammt aus den Siedlungsabwässern, aber auch aus der Landwirtschaft, wo durch überhöhte Düngung ein großer Teil dieser Nährstoffe aus dem Boden ausgewaschen und in diese Gewässer eingetragen wird. Und die dritte Art von Verunreinigungen, die noch erwähnenswert wären, sind Mikroverunreinigungen. Die umfassen beispielsweise Pestizide, Medikamente oder auch toxische Sekundär- und Metaboliten, die aus beispielsweise Blaualgen stammen mögen. Die Wasserqualität hat sich in der Schweiz sehr stark verändert im 20. Jahrhundert. Nach einer ersten Phase der Gewässerverschmutzung mit zunehmender Siedlungsdichte folgte ab den Siebziger Jahren eine kontinuierliche Verbesserung der Gewässerqualität. Wobei man sagen muss, dass das immer sehr langfristige Prozesse sind, die durchaus zwei bis drei Jahrzehnte benötigen, die schweizer Gewässer wieder in den Zustand zu bringen, in dem sie vor hundert Jahren waren. Und damit sticht die schweizer Seenlandschaft auch heraus aus dem globalen Zusammenhang, da es in anderen Teilen der Welt sehr große Schwierigkeiten mit der Wasserqualität nach wie vor gibt. Denken Sie an China, wo diese riesigen Flachseen eben zunehmend verschmutzen. Denken Sie an Entwicklungsländer, an Schwellenländer, wie Südamerika oder Afrika, wo das Bereitstellen von sauberem Wasser eine zunehmend schwierigere gesellschaftliche Leistung wird. Innerhalb der Algengemeinschaften, die man in Seen findet, spielen die Blaualgen, die sogenannten Cyanobakterien eine besondere Rolle. Weltweit kann man beobachten, dass die Häufigkeit und Intensität der Blüten dieser Cyanobakterien zunimmt, was in vielen Fällen der Überdüngung der Seen durch Phosphor geschuldet ist. Nun stellt das die Managementbemühungen von Seen vor besondere Herausforderungen. Einerseits können diese Cyanobakterien so dichte Bestände bilden, dass sich auf den Seen tatsächlich sichtbar grüne Ablagerungen, Schleime bilden, die, wenn sie dann verrotten auch übelriechende Substanzen abgeben. Andererseits produzieren viele dieser Cyanobakterien sogenannte Sekundärmetaboliten, das sind Substanzen, die nicht unbedingt für das Wachstum erforderlich sind, die diesen Organismen aber beispielsweise Schutz vor Fraßfeinden bieten. Sekundärmetaboliten können sein Geruchsstoffe oder auch Toxine. Das ist natürlich ein Problem für die Gewinnung von Trinkwasser, wo besondere Prozeduren nötig sind, beispielsweise die [UNVERSTÄNDLICH], diese giftige Substanzen wieder zu entfernen. Im Zürichsee ist die Situation etwas anders. Auch hier gibt es eine giftige Blaualge, die Burgunderblutalge, Planktothrix Rubescens. Diese wurde erstmals im Murtensee beschrieben, nachdem sich der See rot färbte, schrieb man diese Färbung durch die Burgunderblutalge ursprünglich dem Wiedererscheinen des Blutes der Burgunder aus der Schlacht bei Wurten zu. Und entdeckte eben erst hunderte Jahre später, dass es sich dabei eigentlich eine farbenförmige Blaualge handelt, die in vielen ähnlichen Gewässern, in vielen ähnlichen Seen auftritt. Nun, diese Burgunerblutalge lebt in zehn bis zwölf Meter Wassertiefe. Sie ist also schwachlichadaptiert, braucht nur zirka ein Prozent des Oberflächenlichtes. Daher erklärt sich auch, warum sich Planktothrix genau umgekehrt verhält zu vielen anderen Cyanobakterien und vor allem in den letzten Jahren verstärkt im Zürichsee auftritt, wo sich eigentlich die Gewässerqualität dieses Sees doch sehr stark verbessert hatte. Der geringere Phosphor im Zürichseewasser hindert das Wachstum der anderen Algenarten, die näher an der Oberfläche wachsen und dafür gesorgt haben, dass die Lichtverhältnisse in der optimalen Wachstumstiefe der Planktothrix zu gering waren. Nun hat sich die Burgunderblutalge über die letzten 25 Jahre im Zürichsee zur dominanten Spezies des Hydroplanktons entwickelt. Das ist eben einerseits diesen verbesserten Nährstoffverhältnissen geschuldet. Andererseits gibt es aber auch eine Erklärung, die mit der Seenphysik zusammenhängt und mit den Veränderungen, die sich durch den globalen Klimawandel ergeben. Die Anomalie des Wassers besagt, dass vier Grad kaltes Wasser am schwersten ist, die höchste Dichte hat, und sich deshalb das tiefe der Seen mit vier Grad kaltem Wasser füllt. In unseren Breiten durchmischen Seen zweimal im Jahr. Im Sommer erwärmt sich das Oberflächenwasser bis auf 20-25 Grad. Eine sogenannte Sprungschicht trennt dieses Oberflächenwasser vom kalten, tiefen Wasser. In dieser Sprungschicht herrschen starke Temperaturgradienten. Und in dieser Sprungschicht fühlt sich Planktothrix am wohlsten. Im Herbst kühlt das Oberflächenwasser ab, bis es eben ähnliche Dichte erreicht wie das Tiefenwasser. Und dann benötigt es nur noch Wind, den Wasserkörper von Seen zu durchmischen. Diese Durchmischung bringt Nährstoffe aus dem tiefen Wasser an die Oberfläche und Sauerstoff ins Tiefenwasser. Im Winter dreht sich die Temperaturschichtung. Das Oberflächenwasser kühlt sich auf null Grad ab, oder es bildet sich eine Eisschicht. Im Frühling führt die Erwärmung des Oberflächenwassers auf vier Grad zu einem zweiten Durchmischungsprozess, der ähnliche Funktion hat wie der erste. Planktothrix wird mit der Durchmischung in die Tiefe gerissen. Die Cyanobakterienzellen besitzen Gasvakuolen, die es ihnen erlauben, ihre Tiefe zu regulieren. Diese Gasvakuolen sind aber empfindlich auf Wasserdruck. Und wenn die Durchmischung die Planktothrixzellen in zu große Tiefe reißt, platzen, implodieren diese Vakuolen und die entsprechenden Fäden sinken zum Sediment und sterben. Die globale Erwärmung bewirkt nun, dass sich das Oberflächenwasser im Winter im Zürichsee nicht mehr entsprechend abkühlt. Und in Folge fällt die Durchmischung im Frühjahr deutlich schwächer aus. Das heißt, die Cyanerbakterienzellen werden nicht mehr in hundert Meter Wassertiefe eingetragen, sondern vielleicht nur noch in 50 oder 60 Meter. Das ist aber nicht genug, ihre Gasvakuolen zu zerstören. Das heißt, diese Cyanobakterien können in den Folgemonaten wieder zurück an die Oberfläche geraten. Dadurch sind die Starterpopulationen der Burgunderblutalge im Frühling in den letzten Jahren deutlich größer, als sie noch vor 20 Jahren waren. Und dieser Prozess scheint sich mit der globalen Erwärmung zu stabilisieren oder sogar zu verstärken. Nun hat das negative Konsequenzen für alle Prozesse, die Wasser aus dem Zürichsee entnehmen. Es stellt die Wasserversorgung vor neue Schwierigkeiten und Herausforderungen. Aber auch andere Einrichtungen, wie beispielsweise die Fischzuchtanstalt in Stäfa oder auch die Nutzung des Zürichseewassers für Wärme. Und dieser Prozess der Anreicherung der Planktothrix im Zürichsee ist durch technische Maßnahmen nicht wirklich beeinflussbar. Man könnte das vergleichen mit anderen Effekten der globalen Erwärmung, wie beispielsweise das Ansteigen des Meeresspiegels durch Abschmelzen der Polarkappen. [MUSIK] [LEERES AUDIO] [LEERES AUDIO]