[LEERES AUDIO] Herzlich Willkommen zur Lektion Hochwasser. Ich bin Manuela Brunner, Doktorandin in der Gruppe Hydrologie am Geographischen Institut der Universität Zürich. Diese Schwäne auf einer Piazza in Lugano hat es nicht groß gekümmert, als der Luganer See im November 2002 nach starken Regenfällen in Tessin über die Ufer getreten ist. Im Gegenteil, sie scheinen sich darüber gefreut zu haben, eine kleine Exkursion in die Innenstadt zu unternehmen. Die Bewohner von Lugano hingegen, waren negativ von diesem Ereignis betroffen. Keller wurden überflutet und es entstanden Sachschäden. Glücklicherweise blieb es bei Sachschäden und Ertragsausfällen. Nicht alle Hochwasser laufen so glimpflich ab, wie jenes es im Jahr 2002 in Lugano. Das Sommerhochwasser 2005 hat in weiten Teilen der Schweiz zu großen Überschwemmungen geführt und wurde später als Jahrhunderthochwasser eingestuft. Wir befassen uns heute mit der Frage, was ein Jahrhunderthochwasser ist, und wie wir dieses berechnen können. Gewässernahe Gebiete werden in kleineren oder größeren Abständen von Hochwassern heimgesucht. Um größere Schäden zu vermeiden, müssen Siedlungen, Infrastrukturbauten, Kulturland und kritische Strukturen, wie Atomkraftwerke vor Hochwassern geschützt werden. Schutzziele für verschiedene Arten von Strukturen werden in nationalen Richtlinien bestimmt und sind meist in Form einer Wiederkehrperiode definiert. Die Wiederkehrperiode ist definiert als das mittlere Zeitintervall zwischen zwei Hochwasserereignissen mit einer bestimmten Größe. In der Schweiz ist Landwirtschaftsland gegen ein Hochwasser mit einer Wiederkehrperiode von zehn Jahren geschützt. Sprich, gegen ein Ereignis, das im Durchschnitt alle zehn Jahre vorkommt. Siedlungen und Infrastrukturbauten hingegen, sind gegen Hochwasser mit einer Wiederkehrperiode von hundert Jahren geschützt. Kritische Strukturen wie Atomkraftwerke haben sehr hohe Schutzziele. Wir werden uns nun verschiedene Strukturen und Maßnahmen anschauen, die benutzt werden können, um die Flächen und Bauten in Flussnähe zu schützen. Idealerweise wird das Bauen nahe von Flüsse vermieden, um das Schadenspotential tief zu halten. Um zu beurteilen, in welchen Gebieten vom Bauen abzusehen ist, werden Gefahrenkarten erstellt. In der Schweiz unterscheiden diese zwischen roten Zonen, wo jegliches Bauen verboten ist und gelben und blauen Zonen, wo das Bauen nur eingeschränkt, oder unter Auflagen möglich ist. Ist es unvermeidbar in Flussnähe zu bauen, oder im Falle von existierender Infrastruktur, müssen die gefährdeten Gebiete vor potentiellen Hochwassern geschützt werden. Dies geschieht durch das Erstellen von Schutzbauten. Diese können Dämme oder Retentionsbecken am Oberlauf des Flusses umfassen. Während extremen Regenereignissen kann ein Teil des Wassers hinter Dämmen gestaut oder in einem Retentionsbecken zwischengespeichert werden. Sobald sich das Wetter beruhigt hat und der Wasserstand etwas gesunken ist, kann das zwischengespeicherte Wasser dann wieder freigegeben werden. Wir haben gesehen, dass Schutzziele in Form einer Wiederkehrperiode definiert sind. Nun schauen wir uns zusammen an, wie eine Wiederkehrperiode formal definiert ist. Die Wiederkehrperiode wird durch den Buchstaben T ausgedrückt. Sie ist eins über eins minus p. Wobei p hier die Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit eines Ereignisses mit einer bestimmten Größe ist. F von x ist die Verteilungsfunktion der Hochwasserspitzen in einem Gebiet. Und wir möchten wissen, wie groß das Ereignis klein x ist, bei welchem die Verteilungsfunktion eine Wahrscheinlichkeit von p annimmt. Das heißt, wir können das ausdrücken als die Wahrscheinlichkeit, dass unser Ereignis groß X kleiner gleich ist eines Schwellenwertes klein X. Und wenn wir das in einer Skizze ansehen, wo wir die Hochwasserspitze gegen die Zeit auftragen, wir können also eine fiktive Ganglinie annehmen, bei der die Spitze groß X ist, und wir möchten nun die Wahrscheinlichkeit kennen, dass diese Spitze größer / gleich eines Schwellenwerts klein x ist. Wir schauen uns ein Beispiel dazu an. Wir hatten vorhin gesagt, dass das Schutzziel für eine Siedlung über die Wiederkehrperiode von hundert Jahren definiert ist. Wenn wir nun wissen möchten, wie groß die Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit eines Ereignisses mit T Hundert ist, müssen wir diese Gleichung zuerst nach p auflösen. Wir multiplizieren zuerst beide Seiten mit eins minus p. Das gibt T mal eins minus p, ist gleich eins. Dann dividieren wir durch T. Macht eins minus p, ist gleich eins über T. Wir subtrahieren eins. Ist minus p, ist gleich eins über T minus eins. Wir multiplizieren mal minus eins, damit wir auf der linken Seite positiv sind. Das ist gleich eins, minus eins über T. Wir haben gesagt, dass wir an der Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit eines Ereignisses mit T hundert interessiert sind. Das heißt, wir setzen hier für T hundert ein. Das macht dann eine Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit p von eins minus eins über hundert. Und das gibt 0,99. Das heißt, ein Ereignis mit Wiederkehrperiode T ist gleich hundert hat eine Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit von 0,99. Was uns nun interessiert, ist, wie groß denn ein Ereignis ist, das eben eine Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit von 0,99 hat. Um iese Größe des Ereignisses eben bestimmen zu können, müssen wir die Verteilungsfunktion F von den Hochwasserspitzen x kennen. Und den Wert x, der eben eine Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit von 0,99 entspricht, können wir dann von dieser Verteilungsfunktion ablesen. Um die Verteilungsfunktion von F von x zu bestimmen, gehen wir typischerweise in mehreren Schritten vor. Wir starten mit einer Zeitreihe aus einem Einzugsgebiet, die beschreibt, wie sich Hochwasser, oder wie sich Abfluss über die Zeit T verändert. Das ist eine Ganglinie, wie wir sie in einem Einzugsgebiet eventuell beobachten könnten. Und innerhalb dieser Zeitreihe identifizieren wir nun jedes Jahr das höchste Ereignis. Das sind diese Punkte hier. Und diese Punkte zusammen bilden dann unser Hochwasser-Datenset. Idealerweise sollte die Zeitreihe noch etwas länger sein. Diese Ereignisse können wir zusammenfassen, die in einem Histogramm darstellen, das uns sagt, wie häufig Ereignisse mit einer bestimmten Größe sind. Das sieht dann in der Regel etwa so aus. Das Histogramm bildet die empirische Dichte der Ereignisse ab. Und wir könnten anstelle der empirischen Dichte aber auch eine theoretische Dichte an die Daten anpassen. Die empirische oder die theoretische Verteilungsfunktion, also Dichte, verwenden wir dann, um einen Zusammenhang zwischen der Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit p und der Hochwassergröße x herzuleiten. Das ergibt irgendwas in der Art. Und wir hatten vorhin gesagt, dass wir daran interessiert sind, zu wissen, wie groß, dass ein Ereignis mit Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit P ist gleich 0,99 ist. Das heißt, wir nehmen diesen Wert, gehen auf die Graphik. Gehen dorthin, wo P eben 0,99 ist, wandern zur Verteilung. Dort, wo wir sie kreuzen, schneiden wir sie und wandern hinunter auf die X-Achse und lesen dort den Wert x, eben die Größe des Hochwassers mit einer bestimmten Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit p, ab. Wir können die Frage nun aber auch anders stellen. Wir können uns nun auch vorstellen und fragen, wie wahrscheinlich es denn ist, dass ein Hochwasser mit Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit p in einer Zeitperiode von n Jahren mindestens einmal vorkommt. Ich habe hier schematisch die Situation aufgezeichnet. Wir haben die Jahre eins bis n. Und wir nehmen an, dass unser Ereignis nur einmal in diesen n Jahren vorkommt. Hier im Jahr n. Und in allen anderen Jahren kommt das Ereignis nicht vor. Die Wahrscheinlichkeit, dass unser Ereignis im Jahr eins nicht vorkommt, ist p. Das war eben unsere Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Jahr zwei auch nicht vorkommt, ist dann p mal p. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Jahr drei ebenfalls nicht vorkommt, ist nochmal mal p. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hochwasser in n Jahren nicht vorkommt, ist p hoch n. Und wir möchten nun aber wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es in diesen n Jahren mindestens einmal vorkommt. Deshalb rechnen wir eins minus p hoch n. Wir schauen uns auch das an einem Beispiel an. Wir nehmen für P wieder 0,99, was eine Wiederkehrperiode von hundert Jahren entspricht. Und wir schauen, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Ereignis in zehn Jahren mindestens einmal vorkommt. Dazu können wir die Zahlen einsetzen, die Nichtüberschreitungswahrscheinlichkeit von 0,99, die zehn Jahre, und erhalten dann 9,5 Prozent. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass unser Ereignis mit Wiederkehrperiode hundert in zehn Jahren mindestens einmal vorkommt, die ist rund zehn Prozent. Und damit überhaupt nicht vernachlässigbar. Wir haben uns in diesem MOOC zusammen angeschaut, wie Schutzziele gegen Hochwasser definiert sind, was eine Wiederkehrperiode ist und wie wir die Größe eines Hochwassers, das einer bestimmten Wiederkehrperiode entspricht, herleiten können. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. [LEERES AUDIO]